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Nun ja.. auch die Pläne des großen Kardinals verlaufen nicht immer nach den Plänen seiner Eminenz...

 ... to be continued...

Es war dunkel, als er erwachte. Mühsam öffnete er die Augen, ein Unterfangen, das sich als gar nicht so leicht erwies, wie er gedacht hatte. Aus schmalen Schlitzen sah er sich um und obwohl kein Licht den Raum erhellte, in dem er lag, schoss ihm dennoch ein scharfer, stechender Schmerz durch den Kopf und ließ ihn zusammenzucken.
Das leise Stöhnen, das erklang, musste von ihm selber stammen, trotz der Tatsache, dass er erst Augenblicke zuvor wieder zu Bewusstsein gefunden hatte, war ihm klar, dass er allein in dem Raum war. Die Pritsche, auf der er lag, war schmal und hart, die Decke unter ihm grob und aus rauer Wolle gefertigt. Die Liegestatt erinnerte ihn ein wenig an die Pritsche, die man den Mönchen und Nonnen in Klostern und Abteien zuwies.
Wo, bei Gott, war er?

Es fiel ihm schwer, die Hände zu heben, noch schwerer, sie so zu koordinieren, dass er sich schließlich über die Augen fuhr und das Haar zurückschob. Wobei.. Moment…? Statt des Haares fühlte er dünnen, feinen Leinenstoff, der sich um seinen Kopf schlang. Ein Verband? Was war passiert?

Unruhiger werdend wanderten die eigenen Hände an seinem Körper herab.
Man hatte ihn entkleidet…?
Die Erklärung zu dieser Feststellung fand sich schnell – auch um den Bauch herum lag ein fester Verband.
Kurz ruckte die Rechte hoch und suchte nach dem protzigen, schweren Kreuz, das ihm immer um den Hals lag. Ah… da war es! Fast ängstlich umklammerten die Finger das kalte Metall des Kleinods.
Ihn fröstelte, als ein kühler Luftzug die nackte Haut streifte und wieder sah er sich um, sich zwingend, die Augen nun weiter zu öffnen.

Nun stellte er fest, das es gar nicht so stockfinster war, wie zuerst gedacht, sondern das ein schwummriges Zwielicht herrschte, dass es zwar ermöglichte, Schemen und Formen grob zu erkennen, aber alles etwas undeutlich und konturlos scheinen ließ.
Links von ihm war eine Wand aus zusammengefügten Steinen, rechts hin öffnete sich der karge Raum. Eine kleine Kommode, ein Tisch und ein Schemel bildeten wohl das komplette Inventar.
Wenn er tatsächlich war, wo er sich in Anbetracht des Zimmers vermutete, musste über der Pritsche noch ein schlichtes Holzkreuz hängen, ebenso musste der Raum über ein schmales Fenster verfügen. Da er aber nichts derartiges erkennen konnte, lag der Schluss nahe, dass es draußen schon zu dunkel war, als dass die schmale Scharte noch auszumachen war.
Zumindest hoffte er das und klammerte sich an ebendiese Hoffnung wie ein Ertrinkender an die morsche Planke.

Wieder fröstelte ihn und es war, als zöge ihn dieses Schaudern wieder ein Stück mehr in die Realität.. Plötzlich drang gedämpftes Gemurmel von draußen an sein Ohr. Verstehen konnte er zwar nichts, aber irgendwas sagte ihm deutlich, dass es um ihn ging. Doch die dicke Tür aus Eiche schirmte zu gut ab, als dass aus dem Gefühl Sicherheit werden konnte.
Ein heiseres Lachen erklang, dann klopfte es an der Tür.
Verwirrt ließ er den Kopf wieder sinken, hob ihn dann aber noch verwirrter wieder, als er hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte, bevor die Tür geöffnet wurde.
Als gleißend heller Fackelschein in den Raum fiel, hob er geblendet die Hand und kniff die Augen zusammen. Zwei Gestalten schienen einzutreten. Die Eine trat neben ihn und er fühlte eine kalte Hand auf der bloßen Brust, als er auf sein Lager niedergedrückt wurde, erst danach stellte die Gestalt etwas auf der Kommode ab, eine Kerze, wie ihm bei einem flüchtigen Blick auffiel.
Es musste sich um einen Mönch handeln, zumindest ließ ihn das die Kutte vermuten.
Die zweite Gestalt allerdings… wer immer das war, es war keiner seiner Gardisten. Das Licht der Fackel, die der Mann hielt, brach sich auf seinem Kettenhemd, weiterhin trug er lederne Armschienen, einen Mantel um die Schultern und ein Schwert an der Seite.
Ein Wappen oder Abzeichen aber, aufgrund dessen man den Soldaten hätte zuordnen können,. suchte der müde Blick de La Roques allerdings vergebens.

„Entspannt Euch, Eminenz, ruht Euch aus.“
Kurz durchlief ihn ein jäher Schreck. Es war eine Frau, die da sprach, heiser und ein wenig undeutlich, aber dennoch eine Frau.
Sie hatte inzwischen begonnen den Verband um den Bauch herum zu lockern , sodass sie den Stoff soweit zur Seite ziehen konnte, bis zu sehen war, was er verdeckte.
Er hatte ihr Tun mit einer gewissen Skepsis verfolgt und ließ etwas resigniert den Kopf sinken, als er eine Verletzung entdeckte, die jetzt, da er sie sah, auch unangenehm zu pochen begann und vermutlich von einem Messer oder einem Rapier stammte.
„Was.. ist passiert?“

War es seine eigene Stimme, die er hörte? Sie klang rau, brüchig; er bemerkte erst jetzt, dass ihm die Zunge am Gaumen klebte, als habe er tagelang nichts getrunken. Er räuspere sich entschlossen und fühlte ein scharfes Brennen im Hals – was leider auch nicht den gewünschten Effekt hatte. Sein erneutes „Was ist passiert?“ klang ebenso wie das erste, hilflos und unsicher.
Allerdings waren Situationen, in denen er sich hilflos und unsicher fühlte keine Situationen, in die er zu geraten pflegte – also galt es etwas dagegen zu unternehmen. Sich auf seine Bewegungen konzentrierend setzte er dazu an sich entschlossen aufzurichten.
Er kam zumindest dazu, sich auf den Ellbogen aufzustützen, dann brach ein Inferno aus Schmerz in seinem Schädel los, dass ihn wieder niederwarf. Es hätte der beruhigenden Worte und des etwas festeren Drucks der Frau gar nicht bedurft.
„Ihr solltet liegen bleiben, Kardinal“, erklärte die Fremde. „Das ist besser für Euch und für mich. Ihr genest schneller und ich muss nicht so oft nach Euch sehen.“
Sie machte eine Pause.
„Ihr und Eure Leute seid Opfer einer Gruppe Rebellen geworden. Die Leute sind gut organisiert… unter anderem verfügen sie über befestigte Anlagen.“
Wieder eine Pause, dieses Mal etwas länger.
„Ihr befindet Euch in einer solchen Anlage. Betrachtet Euch als Gefangener, Eminenz, als Geisel der roten Falken.“

Er wollte hochfahren, seine Hand schnellte fast ohne sein Zutun vor und packte die Robe der Sprecherin um sie zu sich heranzuziehen, im gleichen Moment hörte man das Geräusch einer Klinge, die gezogen wurde.
„Bei Gott, was ist hier los?“ Jetzt gewann seine Stimme ein wenig der gewohnten Festigkeit zurück, es war nur nicht klar, ob es nicht vielleicht das Resultat der Angst war, die ihn plötzlich überfiel.
Die Frau umklammerte seinen Arm mit beiden Händen und suchte seinen Griff zu sprengen, Gleichzeitig zischte sie dem Bewaffneten etwas zu, als klang, als hielte sie ihn zurück.
„Lasst mich los…“
Erschreckend ruhig klangen die Worte, begleitet von einer spürbaren Kälte.
„Ich werde Euch sagen, was passiert ist, doch zuvor lasst Ihr mich los und rührt mich nie wieder an!“
Sie war lauter geworden bei den letzten Worten. De La Roque, an sich niemand, der sich so leicht einschüchtern ließ, stutzte und löste dann langsam seine Finger um die Hand zurückzuziehen.
„So sprecht“, forderte er die Frau dann auf, während er sich vollends zurücksinken ließ. Die Fremde machte sich noch kurz an dem Verband zu schaffen, zog ihn wieder zurecht und sah ihn dann an. Zögernd hob sie die Hände und zog die Kapuze ihrer Kutte soweit zurück, dass der Gottesmann zumindest grob ihre Züge erkennen konnte. Nicht, dass ihm das viel half, er kannte die Frau nicht, doch zeugte es von Höflichkeit.
„Ich bin Sophie Fessard“, stellte sie sich dann vor.
Ich stamme aus Pont-du-Neuf, ein kleiner, unwichtiger Ort.
Eure Männer haben ihn niedergebrannt, auf Euren Befehl hin in Eurer verblendeten Jagd auf die, die Gottes Lehren anders auslegen als seine Heiligkeit.
Meine ganze Familie wurde dabei getötet, die, die nicht sofort den Tod fanden, wurden durch Eure Leute verschleppt.
Nennt mir einen, nur einen Grund, aus dem ich Euch nicht hier und jetzt töten sollte!“
Hatte ihre Stimme anfangs noch ruhig und versöhnlich geklungen, so troffen ihre Worte nun vor Hass und de La Roque drängte sich das unschöne Gefühl auf, hätte sie in diesem Moment ein Messer in der Hand, so wäre es um ihn geschehen.
Schweigend sah er Sophie an, schweigend wurde sein Blick erwidert. Die junge Rebellin hatte sich wieder in der Gewalt, als sie weitersprach:
„Vor einigen Tagen erfuhren wir, dass Ihr durch Fortainbleau reisen würdet.“
Sie lachte über seine verdutzte Miene, ohne dabei erheitert zu klingen. „Auch wir haben Spione in Euren Reihen, nicht nur Ihr in den unseren, Kardinal. Ihr seid gut – aber nicht perfekt.
Es war leicht den Hinterhalt zu legen, wir waren genug Leute um es auch mit Euren Männern – Gott hab sie selig – aufnehmen zu können. Überlebt hat nur einer und…“
„Mörder!“, stieß der Kirchenmann aufgebracht hervor, versuchte sich erneut aufzurichten und wurde wieder von Sophie zurück auf die Laken gedrückt.
„Der Mörder seid Ihr, Kardinal.. erster Minister.. mit welchem Titel Ihr auch immer Euch schmücken wollte, Ihr seid ein Mörder. Ihr tötet nicht selbst, aber Ihr habt Handlager, die Euch die grausige Arbeit abnehmen:“ Eine gewisse Neutralität hatte schwang mit, als suche die junge Frau Anstand zu nehmen von dem, was sie sagte.
„Überlebt hat nur einer und der wurde ebenso behandelt wie Ihr. Man hat sich um seine Verletzungen gekümmert, ihm wird nichts geschehen.“
„Und was ist mit mir?“, wollte der Kardinal wissen.
„Das hängt von Euch ab und Eurer Kompromissbereitschaft.
Natürlich können wir ein Lösegeld für Euch erpressen, doch wer sagt uns, dass Ihr danach nicht weitermacht, wo wir Euch soeben aufgehalten haben?“
Er war sich nicht sicher, ob das Lächeln, das kurz über ihre Lippen huschte, ihre Augen aber nicht erreichte, echt und aufrichtig war.
„Seid unbesorgt, Eminenz – zuerst erholt Euch von den Verletzungen, dann sehen wir weiter. Soviel Zeit haben wir.“ Das leise Lachen, was nun folgte, konnte sich einer gewissen Schadenfreude nicht erwehren. „Wir wissen um Eure einst begonnene Ausbildung zum Offizier – doch tut Ihr Euch leichter, Euch das nächste Mal zu ergeben, als Euch auf einen Kampf einzulassen. Ihr seid nicht mehr der Jüngste, Kardinal. Das…“, sie deutete auf ihn, machte eine Bewegung, die den kompletten Raum mit einschloss, „wäre nicht nötig gewesen, wenn Ihr Euren verdammten Stolz unter Kontrolle hättet.“
De La Roque sah sie wortlos an und war für einige Lidschläge froh um das diffuse Licht, das in der Kammer herrschte – ihm schoss das Blut zu Kopf.

Sophie hatte sich indes wieder vom Rand seiner Pritsche erhoben und wandte sich zum Gehen ohne auch nur ein weiteres Wort an ihn zu richten. Die Kerze ließ sie auf dem Tisch stehen. Kaum hatte sie die Wache passiert und hatte den Raum verlassen, folgte ihr der Mann und schloss die Tür. Mit leisem Quietschen drehte sich der Schlüssel im Schloss.
Er war allein.
Ohne dass er es beeinflussen konnte, drängt sich ihm der Gedanken auf, dass der Raum zwar noch eine Zelle war, aber keine mehr, die Gläubige beherbergte, sondern ein Verlies…
Er war allein…

Und er blieb es auch recht lange.
Schnell war er zu der Einsicht gelangt, dass es besser war, liegen zu bleiben als sich hoch zu kämpfen um.. ja was? Herumzusitzen?
Wahrscheinlich – das einzig Positive daran wäre, dass er sich nicht ganz so hilflos fühlte, wie wenn er lag.
Geändert hätte sich aber nichts – die Tür war verriegelt und obwohl er nach wie vor nicht genau wusste, was geschehen war, war ihm doch klar, dass seine Verfassung jedwede Eskapaden unterband.
Zudem.. es war mit Sicherheit tiefste Nacht…

De La Roque zog gar nicht in Erwägung länger hier zu bleiben als notwendig, er war sich sicher, dank Macht, Einfluss und finanzieller Mittel dieser Lage bald zu entrinnen. Jeder war käuflich – und er war imstande praktisch jeden Preis zu zahlen. Es musste sich nur der richtige „Verhandlungspartner“ finden.
Irgendwann musste er dann aber eingeschlafen sein, den ihn weckten zeitgleich das Quietschen des Schlüssels im Schloss und die Sonne, die ihn im Gesicht kitzelte.
Doch der Schlaf, so leicht und kurz er auch gewesen sein mochte, ließ sich nicht so schnell abschütteln. Er musste mehrfach blinzeln, bevor das Bild vor seinen Augen sich entschloss scharf zu werden und ich erkennen zu lassen.
De La Roque hatte sich in seiner Annahme nicht getäuscht – seine Unterkunft war eine Zelle, in der gewöhnlich Mönche lebten. Also musste er sich in einem Kloster oder eine Abtei befinden. An der Wand über seiner Pritsche hing ein Kreuz und in der Wand am Kopfende – also gegenüber der Tür, war ein schmales Fenster eingelassen, ohne Glas, ohne Gitter, aber viel zu schmal um sich hindurchzuzwängen..
Er schob den spontanen Gedanken auch rasch zur Seite – eine solche Flucht war unter seiner Würde.
Weit darunter.

Inzwischen trat wieder die in eine Kutte gekleidete Gestalt in den Raum. Sie trug ein Tablett und stellte dieses auf dem Tisch ab, während sein Blick jeder ihrer Bewegungen folgte.
Der Wache vor der Tür, die wie beim vorherigen Besuch einfach schweigend dastand, nichts sagte und sich wohl auch nicht regen würde, gab er keinen Anlass dazu, beachtete er nicht weiter.
„Euer Frühstück, Kardinal.“ Die Stimme ließ ihn Sophie erkennen. „Erwartet nicht zuviel, zum einen hat der Medicus Euch zu einfacher Speise geraten und zum anderen.. haben wir auch nichts, was sich mit der Kost bei Hofe vergleichen ließe.
„Der Medicus..?“ Es war ein Arzt bei ihm gewesen?
„Er sah nach Euch, kurz, nachdem wir hier angekommen sind – Ihr wart noch nicht wieder bei Bewusstsein“, erklärte ihm Sophie. „Ich kann mich um die Verbände und Euer… Wohlbefinden… kümmern, aber von Wundheilung verstehe ich nicht allzu viel.“
Er nickte, konnte sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass das Wort „Wohlbefinden“ einen unschönen Beiklang gehabt hatte.
„Er wird Euch auch heute aufsuchen. Wobei ich nicht glaube, dass Ihr noch lange an den Verletzungen herumlaborieren werdet. Ihr habt eine größere Platzwunde am Kopf und eine Bauchwunde davongetragen – aber das wird Euch selbst auch bereits aufgefallen sein. Dennoch vermute ich, dass der Heiler Euch bald erlauben wird aufzustehen – dann können wir unsere „Gespräche“ beginnen“
Sophie sah ihn an. Jetzt, wo es hell war und der Kardinal mehr erkennen konnte als nur undeutliche Schatten und Konturen, zeigte sich, dass Sophie allerhöchstens Anfang Zwanzig war. Sie hatte filigran geschnittene Gesichtszüge, die Augen schimmerten in sattem Grün. Das Haar musste ein kastanienbraun sein, darauf ließen ihn die wenigen Strähnen schließen, die unter der Kapuze hervorlugten. Doch wohnte dem jungen Gesicht eine Härte inne, die in diesem Alter selten war – gut, den wahrscheinlichen Grund dafür hatte sie ihm letzte Nacht genannt.

Allerdings… er war sich gar nicht sicher irgendetwas mit den Aufrührern zu besprechen zu haben. Die Annahme Sophies, er wäre bald soweit genesen, dass er sich solchen „Verhandlungen“ unterziehen konnte, engte sein Zeitfenster recht stark ein – würde er hier fort wollen, so war Eile geboten. Auf der anderen Seite – wer mochte ausschließen, dass ihm die „Gespräche“ nicht das eine oder andere über die Pläne der Rebellen verraten würden?
De La Roque zog es vor, nur langsam zu nicken. Dann nahm er das Unterfangen in Angriff sich aufzurichten, immerhin frühstückte es sich im Liegen schlecht.
Zwar hatte er den Eindruck nach wie vor nicht ganz Herr seiner Bewegungen zu sein, doch er kam hoch und setzte sich auf, während wieder dumpfer, pochender Kopfschmerz einsetzte und die Bauchverletzung begann, heftig zu brennen.
Doch er saß, ohne dass er sich von Sophie helfen lassen musste – nicht, dass er vorgehabt hätte, ihre Hilfe, so sie diese hätte geben wollen, anzunehmen.
„Und wie soll es weitergehen?“, richtete er das Wort an die junge Frau.
„Ihr erholt Euch.. seid unbesorgt, Ihr werdet ausreichend Ruhe haben..“
Hier stellte sich nun natürlich die Frage, wie sie das meinte. Ließ man ihn in Ruhe, damit er sich erholen konnte? Oder meinten die Worte, dass er ohnehin eingesperrt blieb und sich so nicht stören lassen konnte?
Scheinbar mussten ihm die Gedanken doch recht deutlich auf den Gesichtszügen abzulesen sein, denn die junge Frau grinste kurz.
„Ihr seid unser Gefangener, Eminenz – erwartet also nicht, dass man Euch gestattet frei zu wandeln. Doch werden Euch kurze Gänge an die frische Luft erlaubt – unter Bewachung, versteht sich. Ihr seid zu wertvoll, dass das wir zulassen könnten, dass Euch etwas geschieht.“
Und auch jetzt stellte sich wieder die Frage, wie ein- oder zweideutig das gemeint war. Erwartete man einen Fluchtversuch von seiner Seite? Oder sah man ihn als das, was er war: als Hauptfigur in einem Staat voller Intrigen, deren Wort mindestens soviel Gewicht hatte wie das des Königs selber?
Zugleich drängt sich dem hohen Kirchenmann die Überlegung auf, dass es sicherlich nicht wenige gab, die nicht traurig wären, verschwände er plötzlich.
Neider, politische Gegner.. begänne er eine Liste zu führen, so zöge diese sich sicherlich in die Länge. Natürlich, er hatte Gefolgsleute, Spione, die ans Licht brachten, was man gegen ihn plante.. aber selbst diese waren nicht immer über alles informiert.
Das sah man zum Beispiel… jetzt.
Zwar hatte er schon vor Langem begonnen, politische Gegner konsequent zum Schweigen zu bringen und Aufstände gnadenlos niederzuschlagen – die Verliese in der Bastille waren gut gefüllt – aber dennoch vermochte er nicht allem Einhalt zu gebieten, was gegen ihn arbeitete.
Wie eben hier.
Bei Gott, er würde seine Leute zur Rechenschaft ziehen, wenn er wieder in Paris war. Diese Fahrlässigkeit würden sie teuer bezahlen!
Zu seinem Glück schien ihm Sophie diese Überlegungen nicht von den Augen ablesen zu können. Sie blieb still stehen, während er auf der Pritsche saß und abwog, ob es ratsamer war sie zu bitten ihm das Tablett zu reichen oder lieber die Zähne zusammenbiss und sich an dem Tisch niederließ. Letztendlich entscheid er sich für Letzteres. Stolz hin, Arroganz her.. so verlor er das Geicht zumindest nicht völlig.
Es dauerte zwar seine Zeit, doch schließlich saß er auf dem Schemel und frühstückte weniger mit Appetit als mit dem Wissen bei Kräften bleiben zu müssen. Brot, Käse und Schinken, dazu hatte man ihm einen Becher mit starkem Kräutertee gebracht.
Nichts Besonders, wie Sophie ihm gesagt hatte.
Er aß und leerte den Tee unter den aufmerksamen Augen der jungen Frau, um deren Rolle in dem Ganzen er immer noch nicht wusste. Doch er ging davon aus, dass sich das bald erklären würde.

Nachdem er gegessen und sich wieder auf der Pritsche niedergelassen hatte, warf er der jungen Rebellin einen fragenden Blick zu.
„Ihr könntet mir eine Bibel besorgen.“
Da war er wieder, der befehlende Ton, der ihm so zu Eigen war. Auch wenn seine Worte wie eine Aufforderung formuliert waren, war klar, dass er erwartete, dass sie tat, worum er sie ersuchte.
Das war natürlich auch Sophie nicht entgangen, denn ihre Augen begannen zornig zu funkeln. Brüsk wandte sie sich ab und nahm das Tablett auf, bevor sie ihn wieder ansah.
„Bittet darum“,  zischte sie, fuhr herum und verließ den Raum, dessen Tür auch sofort darauf geschlossen und verriegelt wurde.
Sah man de La Roque nun, so fiel dem Beobachter die irritierte Miene des Kardinals auf. Damit schien er nicht gerechnet zu haben.
Aber wie auch, war es doch bisher immer so gewesen, dass ihm alles und jeder zu Diensten war.
‚Bittet darum!’.. was fiel diesem Weib ein? Er bat nicht, er ordnete an. Er gab sich seinen Gedanken hin, während er allein in seiner Zelle auf der Pritsche saß und des Medicus’ harrte, den Sophie ihm angekündigt hatte. Und während er die Zeit verstreichen ließ, kam er trotz erboster Gedanken, gepaart mit wahnwitzigen Fluchtplänen, zu dem Schluss, dass ihm wohl gar nichts anderes übrig blieb, als sich als das zu geben, was er im Moment wohl war: ein Gefangener ohne weitere Rechte als die, die ihm gewährt wurden.
Die Situation hatte einen sehr bitteren Beigeschmack, er war nicht der Planende, nicht der Ausführende, sondern das Zielobjekt.
Das machte ihn vielleicht nicht weniger wert, schränkte ihn aber sehr ein. Genaugenommen nahm es ihm tatsächlich sämtliche Freiheiten.
Vor seinem geistigen Auge sah er sich wie einen Hund an der Leine auf dem Hof herumgeführt werden.. er schüttelte sich.
Ein Fehler, sowohl der Kopf als auch der Bauch quittierten diese rüde Bewegung mit scharfem Brennen – und doch holte ihn der Schmerz zurück ins Hier und Jetzt.

Mit leisem Seufzen sank er auf die Pritsche nieder und starrte zur Decke. Es würde ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als Sophie tatsächlich darum zu bitten ihm eine Heilige Schrift zu bringen und ansonsten alles, was eine Bitte bedurfte, auf ein Minimum zu reduzieren.
Was hatte sie gesagt? „Verdammter Stolz“. Nun, ebendieser Stolz sorgte nun dafür, dass er trotzte.
Hätte man ihm das gesagt, würde er lachen und den Lügner nennen, der ihm das unterstellte. Aber genau betrachtet war es so, daran war nicht zu rütteln.
Er, der lebenserfahrene und wortgewandte Kardinal, erster Minister bei Hofe, der auf den Bühnen der Politik ebenso zuhause war wie auf den höheren Etagen der Krchenführung, dieser Mann trotzte wie ein junger Kerl und würde, sofern er sich nicht am Riemen riss, alles nur noch verschlimmern.
Und das Unangenehme war: ihm war das vollauf bewusst.
Unwillig schob er alles zur Seite, was seine Gedanken auf Wege führte, die doch nur in Sackgassen endeten.
Statt dessen streckte er sich aus, legte die Hände auf der Brust zusammen, schloss die Augen und begann zu beten.

Irgendwann ließ der Arzt sich bei ihm blicken.
De La Roque fragte sich beiläufig, ob der Mann zu den Rebellen gehörte, ob sie seine Dienste bezahlten, wenn ja, von welchem Geld…
Dabei ließ er die Untersuchungen des Mannes über sich ergehen. Der Heilkundige versorgte die Verletzungen und legte die Verbände wieder an; die ganze Zeit sagte er kein Wort.
Erst als er sich erhob und seine Utensilien zusammenpackte, blickte er den Kardinal flüchtig an.
„Ich werde Madame Fessard mitteilen, dass Ihr Euch heute noch schonen solltet. Ab morgen wird sie dann dafür Sorge tragen, dass Ihr Euch vorsichtig bewegt.. kurze Gänge, nichts Anstrengendes. Aber zu langes Ruhen schwächt Euch mehr, als dass es zur Genesung beiträgt.“
Aufmerksam musterte ihn der Arzt, so lange, dass es ihm schon beinahe unangenehm wurde.
„Was?“
Es klang schärfer als beabsichtigt, viel schärfer. Doch die Reaktion des Mannes vor ihm war lediglich ein kurzes Lächeln.
„Wisst Ihr, Eminenz.. wenn man von Euch hört… erfährt, was Ihr angeordnet und erlassen habt.. Ihr wirkt unerreichbar, unantastbar.
Und jetzt zeigt sich, dass Ihr auch nur ein einfacher Mensch seid, einer, der zwar über Einfluss verfügt und dessen Wort bei Hofe gilt.. und doch nur ein Mensch. Verwundbar und klein.“
Er machte eine Pause.
„Sagt… habt Ihr Angst?“
Der Kopf des Kirchenmannes ruckte hoch und fixierte den Blick des Anderen. Die braunen Augen funkelten, Wut war herauszulesen. Nicht nur über die Worte des Mannes, sondern auch darüber, dass der Arzt mit seiner letzten Frage nicht so Unrecht hatte – beschäftigte er sich mit dem nagenden Gefühl in seinem Innern, so war es Angst.. dieselbe, die er die Nacht gespürt hatte, als er erwachte….
„Nein“, kam die Antwort nach kurzem Zögern, dafür aber so entschlossen und überzeugend, wie sie klingen sollte. Dennoch zeigten ihm die Augen des Medicus, dass dieser ihm nicht glaubte.
Dieu, was war das für ein Spiel?

„Ruht Euch aus, Kardinal“, riet ihm der Heilkundige, „ich sehe morgen noch einmal nach Euch. Und solltet Ihr etwas brauchen, zögert nicht es zu sagen.“
Klang Hohn mit? Misstrauisch legte de La Roque den Kopf schräg und versuchte zu ergründen, wie die Worte des Heilers gemeint waren.
„Danke“, murmelte er schließlich – und dieses Mal war er es, der dem Arzt zu denken gab; mit einem Dank schien dieser nicht gerechnet zu haben. Umso mehr musste die nun folgende Frage den Mann erstaunen: „Sagt.. würdet Ihr mir eine Heilige Schrift bringen.. bringen lassen? Bitte..“

Das „Bitte“ war zwar nachgeschoben und wirkte vielleicht nicht ganz freiwillig, doch so ersparte er es sich, Sophie noch einmal zu fragen. Es würde sich sicher noch genug finden, worum sie sich bitten ließ.
Der Medicus hob die Brauen, nickte dann aber langsam und hängte sich seine Tasche über die Schulter.
„Ich werde Euch eine Bibel bringen lassen, Eminenz. Ruht Euch aus.“
Damit wandte er sich um, öffnete die Tür und verließ den kleinen Raum, während de La Roque auf der Pritsche saß und lauschte, wie die Tür wieder verriegelt wurde.

Wieder war er allein.
Es war nicht so, dass ihn der Zustand als solcher störte. Er war gern allein, so konnte er am Besten planen und abwägen, seine Korrespondenz erledigen und Erlasse formulieren. Oder entspannen, einen guten Wein genießen…
Doch das hier war eine andere Art von Alleinsein. Keine, die er beenden konnte, wenn ihm danach war. keine, die er zum Arbeiten nutzen konnte, denn man würde ihm schwerlich gestatten seine Kriegstreiberei von hier aus fortzuführen. Keine, die sich durch einen kurzen Gang durch die Gänge der Abtei vertreiben ließe, denn auch das war ihm verwehrt.
Eingesperrt, wie er jetzt war, fühlte er sich tatsächlich als das, was der Medicus genannt hatte: als kleiner Mensch, verletzlich und angreifbar. Und so sehr er sich auch einzureden versuchte, dass dem nicht so war – der Gedanke ließ sich nicht einfach abschütteln. Zwar trat er in den Hintergrund, lauerte aber wie ein Raubtier auf der Jagd darauf, wieder hervorspringen und sein Denken beherrschen zu können.

Mit leisem Seufzen drückte er sich von der Pritsche hoch. Es drängte ihn erneut zu beten, aber er verlangte von sich selbst, das nicht liegend zu tun, nicht nachlässig, sondern voll auf den Herr konzentriert. Ihn schwindelte zwar, doch er stand auf, drehte sich dann und sank vor der Pritsche – und somit vor dem Kreuz - auf die Knie nieder. Leicht beugte er sich vor, legte die Handflächen aneinander und stützte die Ellbogen auf die Liege – das gestattete er sich um die Verletzung am Bauch nicht zu arg in Mitleidenschaft  zu ziehen.
Demütig senkte er den Kopf, das Bild eines einfachen Dieners des Allmächtigen. Leise und konzentriert kamen die Worte über seine Lippen, kaum hörbar sprach er aus, was ihn bedrückte und ängstigte, nur der Herr allein erfuhr, was den Kardinal erzürnte.
Über seine Pläne sprach er zu Gott, über die Ohnmacht, die er grade fühlte, dass ihm die Hände gebunden seien… und gab doch zu, dass er das hier als Prüfung des Herrn zu sehen gedachte, der den Mut und die Aufrichtigkeit seines Getreuen prüfen wollte.
Dennoch offenbarte er dem Vater im Himmel seine Wut über dies Gefangenschaft.
Er musste eine ganze Weile so gekniet haben, auch lange Zeit, nachdem er sein Gebet mit „Amen“ beendet hatte, verharrte er in der Position..

Das nächste, was er hörte, waren Stimmen. Die Sophies und eine andere, männliche. Hätte er sich die Mühe gemacht sich umzusehen, hätte er erkannt, dass es die Wache war, die sprach.
Beide befanden sich bei ihm in der Zelle, jeder hatte ihn an einem Arm gepackt und zog ihn hoch.
„Quoi.. was ist?“
Warum murmelte er? Und wieso war ihm so schwindelig?. Tatsächlich fand er sich erst wieder zurecht, nachdem Sophie und die Wache ihn auf die Pritsche bugsiert hatten. Während die Wache den Raum verließ um wie zuvor auch schweigend davor stehen zu bleiben, sah Sophie ihn strafend an.
„Was soll das?“
Irritiert runzelte er die Stirn. „Ich verstehe nicht, Madame.. was soll was?“ Tatsächlich wusste er nicht im Geringsten, was sie von ihm wollte. Er war müde..  er fühlte sich schläfrig, als hätte man ihn grade aus tiefstem Schlaf gerissen.
„Ihr solltet Euch schonen. Statt dessen kniet ihr hier auf dem eiskalten Boden. Glaubt Ihr, dass Ihr damit der Heilung zupass wirkt?“ Sie knurrte fast und maß ihn mit vernichtenden Blicken. Nur langsam schien sie sich zu beruhigen, die Wut wich und die Anspannung ihrer zierlichen Gestalt ließ nach, je mehr sie sich wieder fing.
„Ihr habt gebetet, nehme ich an? Jedenfalls.. Ihr müsst zusammengesackt sein, wir fanden Euch halb auf der Pritsche liegend.“ Es klang schon wieder gelassen.
„Heute solltet Ihr Euch noch vorsehen.. Hat Euch der Medicus das nicht gesagt?“
Doch, hatte er. Aber.. redete sie grade mit ihm wie mit einem sich sträubenden Kind? Mühsam beherrschte er sich um der jungen Frau nicht eine gebührende Antwort zu geben. Doch dass seine Rechte sich zur Faust ballte, das schien Sophie nicht zu entgehen, zumindest ließ ihn das Funkeln ihrer Augen darauf schließen.

„Ja,… ich habe gebetet“, erwiderte er dann gedehnt, damit weder wirklich Bezug auf ihre Worte nehmend noch ihr wirklich antwortend.
„Ja – er hat es Euch gesagt?“ Sophie ließ sich nicht abschütteln. „Oder ja -  Ihr glaubt allen Ernstes, damit Eure Genesung zu fördern?“
Er betrachtete die Frau eine ganze Weile, bevor ein Schmunzeln über seine Züge huschte, dessen er sich zu erwehren nicht imstande war. Doch verdrängen konnte er es rasch wieder, Grund zum Schmunzeln gab es hier mitnichten. „Er hat mich darauf hingewiesen“, nickte er statt dessen langsam.
„Und Ihr denkt nicht daran Euch an die Anweisungen des Heiles zu halten, nehme ich an?“  Es hätte ihres Mienenspiels gar nicht bedurft um zu erkennen, dass sie spottete.
„Dieu..“
Das langte. Aufgebracht setzte er sich auf, sowohl Kopf und auch den Bauch gekonnt ignorierend und blitzte sie zornig an. „Spart Euch die Spielchen, Madame. Ihr wisst sehr gut, dass mir keine andere Wahl bleibt als mich zu fügen – es ist nicht nötig, die Scharte noch auszuwetzen.“
Groß zu beeindrucken schienen seine Worte die Dame nicht, doch der Spott wich aus ihren Gesichtszügen. Sie stand noch immer vor ihm und blickte auf ihn herab, dann aber trat sie zurück, bis sie die Kommode erreichte und lehnte sich dagegen, die Arme vor der Brust verschränkend. „Ihr habt Recht.“
Mehr nicht, aber mehr war auch nicht nötig. Sie schwieg ihn eine Weile an, bevor sie zur Seite deutete.
„Der Medicus hat mir etwas für Euch mitgegeben..“ Damit wandte sie den Blick. Er folgte diesem und gewahrte die Bibel, die auf dem Tisch lag. Etwas überrascht hob er die Brauen. „Ich dachte...“
„Ich komme nicht Eurem Befehl nach. Nur um das klarzustellen, der Heiler gab mir das Buch für Euch mit. Ich bin nur der Bote.“
„Ah…“ Übertrieben verstehend nickte der Kardinal. Dann schwang er langsam die Beine von der Pritsche und setzte sich auf, sich dabei leicht vorbeugend und sich mit den Ellbogen auf den Oberschenkeln abstützend, die Hände ineinanderlegend. Erst jetzt fiel ihm auf, dass man ihn nicht durchsucht oder seiner Habe beraubt hatte. Das schwere Kreuz baumelte ihm um den Hals, es hatte ob seiner Haltung grade Spiel und weder den goldenen Siegelring noch die Schmuckringe hatte man ihm genommen. Dieses Geste quittierte er mit leichtem Nicken, auf wenn Sophie dieses nicht zu deuten wissen würde.

Als er saß, fühlte er sich schon weit wohler, viel sicherer und überlegener als zuvor. Ruhig wanderte der Blick der braunen, aufmerksamen Augen an Sophie herab.
„Sagt, Madame Sophie – was genau habt Ihr vor? Wozu diese Farce?“ Er zögerte einen Moment weiterzusprechen, dann aber fuhr er fort. „Was, glaubt Ihr, wird passieren, wenn ich weiß, was Ihr vorhabt.. was Eure Leute vorhaben? Oder besser: auf welcher Basis soll ein Gespräch gründen, wenn ich mit Sicherheit weiß, dass Ihr mich genaugenommen nicht gehen lassen könnt?“
Sein Blick suchte ihren zu bannen. Er sprach ruhig und überlegt, die Stimme klang warm und eigentlich sympathisch und Miene dun Augen schienen offen und ehrlich… die Taktik, mit der er sein Gegenüber oftmals einzuwickeln verstand – sofern es anfällig für diese Gesten war.
Nur ob er Sophie damit erreichte… das war nicht zu erkennen. Die Miene der jungen Frau änderte sich kaum, ruhig blieb sie an die Kommode gelehnt stehen und hatte die Arme erneut vor der Brust verschränkt. Während ihr Blick den seinen gelassen erwiderte, hob sie dann aber leicht die Brauen. Ihre nächsten Worte ließen nicht erkennen, ob er erreicht hatte, was er wollte – sie wechselte das Thema völlig: „Man wird Euch Kleider bringen, Kardinal. So könnt ihr zwar hinausgehen, doch ich glaube nicht, dass Ihr das wollt.“
De La Roque blickte an sich herab, nicht im ersten Mal. Der Oberkörper war bloß, um den Bauch schlang sich der Verband. Dazu trug er Hose und Stiefel.. nein, sie hatte Recht. So hinauszugehen war definitiv unmöglich. Daher quittierte er ihre Worte mit leichtem Nicken, das Sophie scheinbar zufrieden zur Kenntnis nahm, sich aus ihrer Haltung löste und auf die Tür zutrat. Die Hand schon an der Klinke drehte sie sich leicht zu ihm um, soweit, dass sie ihn über die Schulter hinweg anblicken konnte.
„Wisst Ihr, Kardinal.. Ihr habt sehr viel mit der Schlange im Paradies gemein. Ihr sprecht mit zwei Zungen, so, wie es Euch am ehesten zupass kommt und Euch hilft, das zu erreichen, was Ihr anvisiert. Ihr werdet früh genug erfahren, was wir mit Euch zu besprechen haben,  Und dass es gefährlich für uns ist Euch frei zu lassen, liegt allein daran, dass Ihr uns suchen lassen werdet, uns hetzen lasst wie Tiere. Glaubt nicht, dass wir uns darüber nicht im Klaren seien.
Eure Freiheit hängt, wie bereits gesagt, von Eurer Kompromissbereitschaft ab. Nutzt die Macht, die Ihr habt, dann könnt Ihr sehr bald schon nach Paris zurückkehren.“
Ihre Worte glichen Peitschenhieben, obwohl sie recht neutral gehalten waren; und nur die reine Selbstbeherrschung gestattete es, dass er nicht bei jedem Satz zusammenfuhr.
Sie hatte sich schon wieder abgewandt, verharrte aber noch kurz.
„Es sind im Übrigen nicht meine Leute. Seht Euch also vor.“
Damit verließ sie den Raum  und schloss die Tür. Einen Augenblick, bevor diese ins Schloss fiel und verriegelt wurde, fügte sie noch an: „Ich bringe Euch später zu Essen…“
Wieder war er allein.

Dieses Mal jedoch nicht ganz.
Er erhob sich und trat an den Tisch heran. Langsam griff die Rechte nach der Bibel, dann fuhr die Linke langsam über den Einband. Fast zaghaft wirkte es, als seine Fingerspitzen über den Schriftzug „Die Heilige Schrift“ strichen, bevor sie sich an die Kante des Buchdeckels legten und die Bibel geradezu ehrfurchtsvoll aufklappten und dann begannen, Seite für Seite umzuschlagen.
Ohne es wirklich zu beabsichtigen, wählte er „das Buch Hiob“ aus und begann zu lesen. Mit gerunzelter Stirn ging er Vers für Vers durch, so intensiv, dass die Buchstaben irgendwann vor seinen Augen zu flimmern begannen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er noch immer am Tisch stand und kurz schoss ihm die Erinnerung an Vorhin durch Kopf, als er sich völlig verwirrt auf der Pritsche wiedergefunden hatte.
Es lohnte nicht, das noch mal zu riskieren. So ließ er sich wieder auf der Liege nieder und versank erneut in der Studie des Textes…
Hiob ließ sich mit ihm vergleichen, dessen war er sich sicher. Dieser Mann, ein gottesfürchtiger und untadeliger Mensch, erfuhr plötzlich großes Leid, grundlos in seinen Augen. Hintergrund  war, dass Gott Satan gestattet hatte, Hiob zu prüfen und der allmächtige Herr war sich sicher, dass sein Knecht auch in größter Not nicht von ihm abwenden sondern treu und Lehren und Geboten des Herrn folgen würde.
So wie jetzt er. Der große Kardinal, mächtig und standhaft im Glauben an den Herrn, gedemütigt, gefangen, verletzt.. und doch würde er sich nicht davon abbringen lassen zu vollbringen, was er dem Herrn gelobt hatte.

Es war bereits später Nachmittag, als sich die Tür öffnete und Sophie ein Tablett hereintrug, das sie auf dem Tisch abstellte. Er fragte nicht, warum man nicht, wie üblich, das Essen nach der Glockenschlag zu Mittag ausgab und sie hatte wohl auch nicht vor ihn aufzuklären. Statt dessen schwieg sie eisern und er kam um den Eindruck nicht herum, sie gäbe vieles dafür, wäre sie die Aufgabe los sich um ihn zu kümmern.
So direkt, aus nächster Nähe war Ablehnung neu für ihn. Natürlich wusste er, dass man ihn oftmals mehr fürchtete denn respektierte, doch war er meist soweit davon entfernt, dass es ihm zwar bewusst war, aber dennoch unwirklich schien. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als sich damit auseinander zu setzen.
Sein Blick folgte der jungen Frau, die, kaum das sie das Tablett abgestellt hatte, den Raum wieder verließ. Er wartete noch, bis die Tür verschlossen wurde, dann setzte er sich an den Tisch und aß. Dicke Suppe mit Gemüse und einigen Fleischbrocken, ein kräftiger Eintopf eben, dazu frisches Brot. Wieder hatte man ihm starken Kräutertee mitgebracht. Kurz ärgerte er sich darüber, dass er keinen Wein zum Essen hatte, erging sich aber nicht weiter in diesen Überlegungen, sondern legte sich nach dem Essen wieder nieder.

Als er das nächste Mal erwachte, war es dunkel. Er brauchte einen Augenblick um sich zu orientieren, dann gewahrte er auf dem Tisch eine sanft flackernde Öllampe und ein Tablett mit dem Abendessen… es musste eingeschlafen sein, noch bevor Sophie abgeräumt hatte und so tief in den Fängen der Träume verfangen, dass er nicht bemerkt hatte, wie sie das Abendmahl brachte.
Und die Lampe.
Und..  die Kleider, die ordentlich über dem Stuhl hingen, bemerkte er erst jetzt. Untergewand und Hemd, beides aus schlichtem Linnen. Nicht aus seinem Besitz, obwohl die Rebellen sicherlich alles erbeutet hatten, was die Kutsche mit sich führte – unter anderem eben auch seine Kleider. Nun ja.. das Hemd würde seinen Zweck ebenso erfüllen wie die, die er sonst aus Seide und Satin trug.
Er bleib eine ganze Weile liegen, bevor er aß – dann schlug er noch einmal die Bibel auf. Zuletzt drehte er die Flamme der Lampe herunter, sodass sie nur noch glomm und legte sich wieder zu Bett.
Zu seiner eigenen Überraschung war er innerhalb kurzer Zeit eingeschlafen…



(freie, nicht erspielte Story)

 
 

 

 
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